Die Partizipationsstufen –
Die Beteiligung von Kindern anhand der Partizipationstreppe von Roger Hart und Wolfgang Gernert erklärt und durch Ursula Günster-Schöning erweitert
Partizipation in der Kita ist von zentraler Bedeutung, da sie Kindern ermöglicht, frühzeitig demokratische Prinzipien zu erleben und zu erlernen. Durch Partizipation werden Kinder als aktive und kompetente Akteure ihrer eigenen Entwicklung anerkannt, was ihr Selbstbewusstsein und ihre sozialen Fähigkeiten stärkt. Außerdem fördert Partizipation das Gefühl der Zugehörigkeit und des Respekts innerhalb der Kita-Gemeinschaft und dies gilt sowohl auf der Kinder, wie auch Erwachsenenebene.
Partizipation ist wichtig zur:
- Förderung der Selbstwirksamkeit: Kinder erleben, dass ihre Meinungen und Wünsche ernst genommen werden, was ihr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten stärkt.
- Demokratisches Verständnis: Durch Mitbestimmung lernen Kinder demokratische Prozesse kennen und verstehen die Bedeutung von Mitsprache und Kompromissen.
- Soziale und emotionale Entwicklung: Partizipation unterstützt die Entwicklung sozialer Kompetenzen wie Empathie, Konfliktlösung und Teamarbeit.
- Motivation und Engagement: Kinder, die an Entscheidungen beteiligt werden, zeigen oft mehr Interesse und Engagement für Aktivitäten und Projekte.
- Entwicklung von Verantwortungsbewusstsein: Indem Kinder Verantwortung übernehmen, entwickeln sie ein besseres Verständnis für Konsequenzen und lernen, ihre Entscheidungen zu reflektieren.

Um sicherzustellen, dass Partizipation sinnvoll und kindgerecht ist, ist es wichtig, die Beteiligungsstufen nach Roger Hart und Wolfgang Gernert zu berücksichtigen.
Diese Modelle bieten eine Struktur, um die Tiefe und Qualität der Partizipation zu bewerten und zu verbessern.
Wenn Kinder dazu angehalten werden, Dinge zu tun, die sie entweder gar nicht verstehen (können) oder weil Erwachsene es einfordern weil sie die Macht dazu haben, kann man sowohl von Unterdrückung als auch von Manipulation reden (Stichwort: Kinder als Plakatträger auf Demonstrationen irgendwelcher Interessengruppen). Bei dieser Stufe werden die Kinder weder über die Intentionen jener Aktion in Kenntnis gesetzt, noch verstehen sie die Aktion an sich. Inhalte, Arbeitsformen, Ergebnisse und Ziele sind fremddefiniert und die Kinder werden lediglich zum Zwecke der Aufmerksamkeit vorgeschickt oder einfach „nur“ mitgenommen. Außerdem betrifft die Stufe das Einhalten aller Regeln und Verbote, die vom Erwachsenen allein aufgestellt und durchgesetzt wurden.
Mit Blick auf das Kita-Team – diese erleben Fremdbestimmung, z.B. durch Vorgaben wie das Einhalten von Hygienerichtlinien, oder Gesetzgebungen oder Richtlinien, die vom Träger kommen, Erlasse oder auch Regeln und Rituale der Kita, an die sich zwar alle halten müssen, auch wenn keiner mehr genau weiß, warum diese Regeln einmal aufgestellt wurden.
Bei dieser „Beteiligung“ handelt es sich um eine Form des Dabeiseins, wie man es von manchen Veranstaltungen her kennt. Die Kinder führen z.B. eine („ach so niedliche“) Tanzeinlage im Gemeindezentrum auf, ohne zu wissen, worum es bei dieser Veranstaltung eigentlich geht, oder sollen mit aufs Foto, weil Kinder sich so gut auf Fotos, z.B. mit dem Bürgermeister, machen.
Mit Blick auf das Team –
Mitarbeiter*innen erleben sich als Dekoration, wenn sie z.B. bei einer Veranstaltung der Kommune oder Kirchengemeinde anwesend sein müssen mit dem Hinweis: „Das ist unser Kita-Team“. Sie werden weder gehört, können etwas beitragen, noch an der Veranstaltung sonst teilnehmen, die bloße Anwesenheit reicht aus. Oder das Team soll sich mit „dazustellen“ fürs Foto. Oder das Team ist am Elternabend anwesend, aber alles wird ausschließlich von der Leitung geregelt, vorgetragen und erklärt. Das Team sitzt nur stumm dabei, hat keinen Auftrag oder Redebeitrag. So ist das Team an dem Abend lediglich Dekoration.
Kinder nehmen nur scheinbar stimmberechtigt an z.B. Sitzungen, Konferenzen oder auch Kinderparlamenten teil – dies allerdings freiwillig. Oder ein Jugendlicher wird zu einer Sitzung dazugeholt, darf etwas sagen und muss dann wieder gehen, während die Erwachsenen dann über das Thema diskutieren.
Mit Blick auf das Team – das Team ist z.B. zur Kuratoriumssitzung geladen, wird jedoch nicht befragt oder angesprochen, darf lediglich teilhaben und zuhören. Stattdessen fragt der Träger die Leitung: „Was sagt denn Ihr Team dazu?“, ohne sich direkt an das Team zu wenden. Oder das Team wird zu einem Sachverhalt befragt, kann dann an der daran anschließenden Besprechung oder Abstimmung darüber jedoch nicht mehr teilnehmen.
Bei dieser Stufe legen die Erwachsenen fest, wie etwas geschehen soll, und informieren die Kinder über die bloße Information hinaus nicht weiter (z.B. „Das ist jetzt gesperrt, da darfst du nicht hinein“ oder „Wir gehen jetzt alle zum Gartenpavillon“). Dennoch sollen, können oder müssen sich alle daran halten und mitmachen.
Mit Blick auf das Team – die Leitung teilt dem Team eine Anweisung des Trägers, einen Sachverhalt oder etwas, das sie entschieden hat mit, ohne dies zu erklären oder zu begründen. Dennoch müssen sich alle im Team daran halten oder mitmachen.
Ab dieser Stufe beginnt echte Partizipation für Kinder und auch das Team:
Zwar wird in dieser Stufe immer noch sehr erwachsenenorientiert gearbeitet, indem z.B. ein Projekt von Erwachsenen, wie z.B. Projektwochen, geplant und vorbereitet wird. Allerdings werden die Kinder darüber gut informiert, wissen und verstehen also, worum es gehen soll und wissen, was sie selbst dabei tun dürfen oder bewirken können.
Mit Blick auf das Team – die Leitung teilt dem Team mit, dass es eine neue Maßnahme oder Vorgabe gibt, wie diese umgesetzt wird, und erläutert ausführlich den Sinn und Zweck. Zudem erklärt sie, warum die Maßnahme stattzufinden hat.
- Recht für das Kind und den/die Mitarbeiter_in: Ich werde angemessen informiert.
Zwar wird in dieser Stufe immer noch sehr erwachsenenorientiert gearbeitet, indem z.B. ein Projekt von Erwachsenen, wie z.B. Projektwochen, geplant und vorbereitet werden. Allerdings werden die Kinder darüber gut informiert, wissen und verstehen also, worum es gehen soll und wissen, was sie selbst dabei tun dürfen oder bewirken können.
Mit Blick auf das Team – die Leitung teilt dem Team mit, dass es eine neue Maßnahme oder Vorgabe gibt, wie diese umgesetzt wird, und erläutert ausführlich den Sinn und Zweck. Zudem erklärt sie, warum die Maßnahme stattzufinden hat.
- Recht für die Kinder und den/die Mitarbeiter*in: Ich werde angemessen informiert.
Durch Besprechungen, Morgenkreise, kindgerechte Fragebögen oder Interviews dürfen bzw. können die Kinder eigene Vorstellungen, Wünsche oder Kritik äußern. Allerdings stehen sie danach bei der konkreten Planung und Umsetzung des darauf folgenden Projektes außen vor und treffen auch keine Entscheidungen.
Mit Blick auf das Team – die Leitung teilt mit, dass sie eine Entscheidung treffen muss. Um diese gut, angemessen und allumfänglich treffen zu können, holt sie sich den Rat beim Team ein. Das Team kann nun mitdiskutieren, seine Bedenken äußern, Vorschläge machen, Kritik äußern, Pro- oder Kontra-Argumente vortragen und die eigene Meinung zu dem Sachverhalt äußern. Dieses Vorgehen bzw. die Diskussion dient der besseren Entscheidungsfindung. Die eigentliche Entscheidung trifft jedoch am Ende die Leitung.
- Recht für die Kinder und den/die Mitarbeiter*in: Ich werde angemessen informiert und gehört. Ich darf meine Meinung sagen. Ich bin aktiv am Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess beteiligt.
Hier kann man dem bisherigen Argumentationsstrang zufolge das erste Mal von nachhaltiger Beteiligung sprechen. Es geht um ein Beteiligungsrecht, das Kinder tatsächlich in Entscheidungen einbezieht und ihnen das Gefühl des Dazugehörens und der Mitverantwortung begründet vermittelt. Auch hier kommt die Idee des Projekts (Vorschlags/Anliegens) von Erwachsenen, alle Entscheidungen werden aber gemeinsam und demokratisch mit den Kindern getroffen (z.B. Wollen wir zur Pferdewiese, zum großen Spielplatz oder zum Ententeich? Es wird gemeinsam diskutiert, überlegt und am Ende abgestimmt. Die Mehrheit entscheidet oder die besten Argumente überzeugen. Danach wird mit den Kindern gemeinsam überlegt, was man an dem Ort machen will, was mitgenommen wird, z.B. an Spielen und Verpflegung).
Mit Blick auf das Team – die Leitung teilt mit, dass eine Entscheidung getroffen werden muss. Um diese gut, angemessen und allumfänglich treffen zu können, wird nun gemeinsam mit dem Team diskutiert, Bedenken können geäußert und Vorschläge gemacht werden. Auch kann Kritik geäußert werden und es werden Pro- oder Kontra-Argumente gesammelt, und jede/r im Team kann seine Meinung zu dem Sachverhalt äußern. Dieses Vorgehen bzw. die Diskussion dient der partizipativen Entscheidungsfindung. Nach der Diskussionsrunde trifft das Team dann gemeinsam eine Entscheidung, z.B. über Mehrheitsabstimmung, Einigung auf einen Kompromiss oder Aushandeln eines Konsens.
- Recht für die Kinder und den/die Mitarbeiter*in: Ich werde angemessen informiert und gehört. Ich darf meine Meinung sagen. Ich bin aktiv am Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess beteiligt und darf/muss eine Entscheidung treffen, übernehme somit ab diesem Moment auch Verantwortung. Ich habe volles Stimmrecht.
Anders als bei der Form der Mitbestimmung wird das Projekt jetzt von den Kindern selbst initiiert. Die Erwachsenen stehen unterstützend und fördernd zur Seite. Die Entscheidungen werden von den Kindern selbst getroffen, wobei die Erwachsenen beteiligt werden und die Entscheidungen immer mittragen.
Mit Blick auf die Kinder: Selbstbestimmung betrifft immer die eigene Person, z.B. ich entscheide, was ich essen will und wie viel; was, wo und mit wem ich spielen will usw. Wichtig: Das Kind muss kognitiv und von der Entwicklung her in der Lage sein, eine Entscheidung für sich treffen zu können, da an die Entscheidung eine Konsequenz/Verantwortung gekoppelt ist. Es ist Aufgabe der Erwachsenen, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Kinder (jeden Alters) sich entsprechend ihres Entwicklungsstandes selbstbestimmt entscheiden können oder dies lernen. (Beispiel Krippe: Willst du die rote oder blaue Hose anziehen? Selbst mit einer Zeigeinteraktion (auf die Hose zeigen) könnte das Kind jetzt seine Meinung äußern und sich selbstbestimmt entscheiden.)
Mit Blick auf das Team – jede pädagogische Fachkraft entscheidet selbst und völlig losgelöst von der Leitung (und dem Team), was sie wie machen will, z.B. die Gruppenarbeit, die Gestaltung des Projektes, des Festes, die Arbeit in der Kleingruppe/dem Qualitätszirkel, eine ihr übertragene Aufgabe usw., und ist somit auch komplett losgelöst von der Leitung (und dem Team) für das Ergebnis/die Entscheidung und die Qualität verantwortlich.
- Recht für die Kinder und den/die Mitarbeiter*in: Selbstbestimmung ist Autonomie. Ich habe volle Entscheidungs- und Handlungsfreiheit. Ich entscheide für mich in aller Konsequenz und mit aller Verantwortung für meine Entscheidung und mein Handeln.
Selbstverwaltung meint die selbstorganisierte Arbeit von z.B. Jugendgruppen, die komplett eigenständig agieren und ihre Entscheidungen den Erwachsenen dann lediglich nur noch mitteilen. Dabei hat die selbstorganisierte Gruppe völlige Entscheidungsfreiheit, was ihre Angelegenheiten betrifft. Diese Form der Partizipation ist im U3- und Ü3-Bereich noch nicht möglich.
Mit Blick auf das Team – das Team arbeitet komplett selbstorganisiert, auch z.B. mit eigenem Budget, bei einem Projekt, Fest, der Gruppenrenovierung etc., und trifft alle relevanten Entscheidungen selbst. Die Leitung wird lediglich über die Entscheidungen und das Endergebnis informiert.
- Recht: Selbstverwaltung ist die Selbstbestimmung, Autonomie innerhalb einer Gruppe. Diese hat volle Entscheidungs- und Handlungsfreiheit. Die Mitglieder der Gruppe entscheiden für die Gruppe in aller Konsequenz und Verantwortung.