Spielzeug in Kita und vor allem Krippen sollte das Spiel der Kinder anregen und unterstützen, sie herausfordern und gleichzeitig stimulieren. Es sollte vielseitig sein und die Fantasie der Kinder fördern. Dieser hohe Anspruch führt jedoch all zu oft dazu, dass viele Spielmaterialien sehr funktional ausgerichtet sind und den Kindern dadurch wenig Raum für fantasievolles Spiel lassen. Vieles ist vorgegeben und in der Handhabung festgelegt, sei es das Gesellschaftsspiel, die Murmelbahn oder das Einsteckhaus für geometrische Formen, ganz zu schweigen von Playmobil und technischen Spielmaterialien. Was auch immer die (Kleinst-)Kinder in die Hände nehmen, scheint irgendwie schon fertig zu sein. So bleibt die Materialerkundung meist sehr eingeschränkt, der vorgegebene Spielablauf stringent und die Spielvariationen einseitig. Das führt dazu, dass besonders Kleinkinder schnell das Interesse verlieren, da etwa das z.B. Einsteckhaus wenig kreatives Spiel zulässt.
Doch müssen Spielmaterialien wirklich immer bunt, aus Plastik und multifunktional sein, um für Kinder attraktiv zu sein?Lenken nicht gerade extrem bunte Gegenstände oder stark spielvorgebende Materialien vom eigentlichen Sinn des experimentellen und freien Spielens ab?
Kindern, vor allem den Allerkleinsten, reichen oft einfachste Gegenstände aus dem Alltag, wie ein Schneebesen mit daran montierten Glöckchen, ein altes Portemonnaie oder ein paar Haarwickler, um kreativ und fantasievoll zu spielen und den Dingen auf den Grund zu gehen. Auch größere Kinder nutzen häufig einfache Utensilien, um Alltagssituationen nachzuspielen oder sich eine eigene Fantasiewelt zu schaffen.
Gutes Spielzeug ist einfach
Was Kinder mit den Händen fühlen, mit den Ohren hören, mit der Haut spüren, also mit dem eigenen Körper erfahren und bespielen können, hat für sie Wert. Sinnvolles Spielmaterial sollte daher nach Möglichkeit die Sinne vielfältig ansprechen und zur Selbsterprobung einladen. Kinder brauchen kreative Auseinandersetzungsmöglichkeiten, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Durch die Auseinandersetzung mit dem Material erproben sie nicht nur ihre eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten, sondern loten zugleich ihre Fantasie und Kreativität aus. Diese eigenaktive Tätigkeit der Kinder wird in der Fachsprache Funktionsspiel genannt, da das „Wie funktioniert das?“ im Kontext der eigenen Handhabung erprobt und spielerisch untersucht wird.
Kleinkinder erforschen aus reiner Freude an der Bewegung und am Tun mit Armen, Beinen, Händen, Füßen und dem gesamten Körper ihre Umgebung und die darin verborgenen Spielmaterialien. Dieses Spiel wird daher auch körperbezogenes Funktionsspiel genannt. Beim gegenstandsbezogenen Funktionsspiel konzentriert sich das Kind auf das Objekt und will es greifen, schütteln, aufmachen, drehen oder befüllen, wie etwa eine Dose oder einen Pappkarton. Ein- und Auspacken ist ein konkretes Spielschema, das von der großen Lust an Spannung und Entspannung, an Verstecken und Wiederfinden befeuert wird.
Aus dem Funktionsspiel entwickelt sich das Konstruktionsspiel. Die Kinder wollen durch eigenes Tun etwas erreichen, z.B. einen hohen Turm aus Pappkartons bauen. Erfolg oder Misserfolg begleiten sie dabei. Das Kind lernt, sich zu organisieren, und das Konstruktionsspiel nennt man daher auch „planvolles Vorausschauen“. Außerdem kann das Kind Dinge durch andere ersetzen und ins „So-tun-als-ob-Spiel“ überleiten indem z.B. aus der Pappröhre ein Fernglas, ein Schornstein oder ein Tunnel wird. Die Fantasie wird stimuliert, die Kreativität wächst. Das „So-tun-als-ob“ oder Symbol-Spiel wird durch den Fantasiezuwachs und die gemachten Erfahrungen vorbereitet und geübt.
Das Spiel mit Alltagsgegenständen fördert die kindliche Entwicklung
Das Spielen mit einfachen Alltagsgegenständen trainiert somit den „Fantasiemuskel“ sowie auch die Fein- und Grobmotorik. Es spricht verschiedene Sinne an und verleiht den Kindern ein erstes Verständnis für die Welt. Einfaches Zeugs zum Spielen, also Alltagsmaterialien inspirieren die Kinder zu neuen Ideen und fördern ihre Entwicklung auf vielfältige Weise. Auch werden alle Entwicklungsbereiche der (Klein)Kinder miteinander verknüpft und verbunden, da Kinder immer ganzheitlich aktiv sind und somit ganzheitlich lernen – mit all ihren Sinnen, Kompetenzen und Fähigkeiten. Die Lernbereiche beeinflussen und bedingen sich gegenseitig und bieten den Kindern vielfältige Erfahrungsmöglichkeiten. Dies wird besonders deutlich bei der selbstständigen Materialerkundung, die umfassende Weiterentwicklungen und Fortschritte im motorischen, emotional-sozialen und kognitiven Bereich auslöst.
Der Pappkarton als Lern- und Bildungsort
Kostenfreie Materialien sind nicht nur sehr ökonomisch, sondern auch für viele Kinder äußerst inspirierend. Der Pappkarton ist ein wahrer Meister der Inspiration. Kinder können in ihn hineinklettern, auf ihn steigen oder sich darin verstecken. Sie können ihn umkippen, durch ihn hindurchrutschen, hinein- oder herausschauen oder etwas hineinpacken und herauswerfen. All diese motorischen Spielmöglichkeiten machen Spaß und nehmen auch Einfluss auf andere Entwicklungsbereiche. Kinder suchen von sich aus nach Herausforderungen, sind Gestalter ihrer eigenen Lernprozesse und entwickeln dabei ihre Ideen und Spiele weiter.
Mit Pappkartons – Spielen & Fördern
„Tatütata die Feuerwehr kommt!“ ruft Simon begeistert, als er sich in einen großen Pappkarton setzt und von Renata durch den Raum geschoben wird.
„Ob der Turm wohl hält? raunt Yannis Henry zu, als er versucht, aus den Kartons einen hohen Turm zu bauen. Diese Aktivitäten fördern nicht nur die motorischen Fähigkeiten der Kinder, sondern auch ihre Sprachkompetenz, da sie ihre Erlebnisse und Ideen miteinander teilen und in Worte fassen.
Layla, die erst 15 Monate alt ist, liebt es, sich im Pappkarton zu verstecken. „Finja, wo bist du? – Da, guck mal. Buh, hier bin ich! Layla auch! Layla weg? Guck, guck – Ja, Layla ist wieder da. Prima!“ Diese einfachen Dialoge zeigen eindrucksvoll, wie das Versteckspiel nicht nur die motorischen Fähigkeiten, sondern auch das Sprachverständnis und die soziale Interaktion fördert. Finja entdeckt durch das Versteckspiel, dass nicht mehr sichtbar sein nicht gleichbedeutend mit Wegsein ist. Diese Erkenntnis ist ein wichtiger Schritt in ihrer kognitiven Entwicklung.
Mit der Zeit werden die Pappkartons zu Schiffen, Autos, Häusern und anderen multifunktionalen Objekten umfunktioniert. Sie werden im Raum hin- und hergeschoben und mit verschiedensten Materialien befüllt. Pappkartons werden zu Transportobjekten, und die Kinder erleben aktiv den Veränderungsprozess, wenn sie Dinge hin- und herbewegen. Diese Aktivitäten fördern ihre motorischen Fähigkeiten und ihr Verständnis für Raum und Lage.
Minox sitzt im Pappkarton und wird von Hakim durch den Raum geschoben. Beide erleben etwas Unterschiedliches: Minox entdeckt, dass sich der Raum um ihn herum verändert, während Hakim das Zusammenspiel der Kräfte beim Transport von Minox erlebt. Diese Bewegungserfahrung fördert die kognitive Entwicklung und die Wahrnehmung der Kinder und macht ihnen gleichzeitig großen Spaß.
Pappkartons sind kostenfreie, ökonomische und lustvolle Spielbegleiter, die zur körperbetonten, sinnlichen und kreativen Auseinandersetzung im Krippen- und Kitaalltag einladen. Sie bieten vielfältige Erfahrungsmöglichkeiten und fördern die kindliche Entwicklung in allen Bereichen. Der Pappkarton als Lernort ist daher ein wertvolles Instrument in der frühkindlichen Bildungsarbeit!