Von Lernlust und Schulbereitschaft

Kinder kommen mit einer unglaublichen Neugier und einem natürlichen Drang zum Lernen auf die Welt. Diese Lernlust ist ein mächtiger Antrieb, der sie dazu bringt, ihre Umgebung unermüdlich zu erforschen. Diese Entdeckungsreise ist jedoch nicht alleinig; sie brauchen vertraute und zuverlässige Bezugspersonen, die sie auf diesem Weg begleiten, ihre Erfahrungen empathisch auffangen und ihnen widerspiegeln. Von Geburt an interagieren Kinder daher aktiv mit ihrer Umgebung, wodurch sie ein tiefes Bedürfnis nach Selbstbestimmung, Autonomie und dem Wunsch nach sozialer Zugehörigkeit ausdrücken. In einem Umfeld, in dem sie sich sicher und verstanden fühlen, blüht ihre Bereitschaft zu weiterer Erkundung und Lernbereitschaft auf. Die Eltern der Kinder und vor allem auch die pädagogische Fachkräfte spielen dabei eine entscheidende Rolle, indem sie die Anzeichen von Lernlust bei Kindern – wie Anstrengungsbereitschaft und den Wunsch, die Welt zu verstehen und mitzugestalten – erkennen, wertschätzen, wachhalten und fördern.

Denn generell sind Lernprozesse tief in sozialen Kontexten verankert, was bedeutet, dass das Lernen immer in Beziehung zu anderen stattfindet (Ko-Konstruktion). Es ist daher die Aufgabe aller Erwachsenen, vor allem im Übergang Kita/Grundschule, eine Umgebung zu schaffen, in der Kinder durch verlässliche und dialogorientierte Beziehungen unterstützt werden, sowohl in der Interaktion mit Erwachsenen als auch in der Gestaltung ihrer Beziehungen zu anderen Kindern. Eine partizipative Gestaltung der Lernumgebung ist dabei der Nährboden und gibt den Kindern die Gelegenheit, sich mit Themen auseinanderzusetzen, die ihren Interessen entsprechen, und ermöglicht ihnen gleichzeitig ein tieferes Verständnis für die Bedeutung ihres eigenen Lernprozesses zu entwickeln. Dies fördert die intrinsische Motivation zum Lernen – eine grundlegende Voraussetzung für schulischen Erfolg.

Ein schönes Beispiel für die Förderung der Lernlust ist das Projekt „Entdeckerwochen“ 

In der Kita „Bunte Welt“ wurde über mehrere Wochen innerhalb des letzten Kita-Jahres ein Entdeckerwochen-Projekt umgesetzt. Hierbei hatten die Kinder die Möglichkeit, anhand verschiedener Stationen, die Elemente „Wasser“, „Luft“ und „Erde“, eigenständig zu erarbeiten und zu experimentieren. Die Erzieherinnen und Erzieher unterstützten die Kinder dabei, ihre Beobachtungen zu teilen, Fragen zu stellen und gemeinsam Antworten zu finden. Durch diesen Ansatz wurden die Kinder nicht nur in ihrer Neugier und ihrem Entdeckungsdrang bestärkt, sondern lernten auch, ihre Erfahrungen und Erkenntnisse im sozialen Miteinander zu teilen, zu artikulieren und gemeinsam weiterzuentwickeln.

Die Förderung der Lernlust der Vorschulkindern stand dabei im Mittelpunkt der Entdeckerwochen. Den pädagogischen Fachkräften war es wichtig, eine Umgebung zu schaffen, in der Kinder sich trauen Fragen zu stellen, zu experimentieren und die Welt um sie herum zu erkunden. Durch die Bereitstellung von vertrauensvollen Beziehungen und einer anregenden und gleichsam herausfordernden Umgebung konnten die pädagogischen Fachkräfte den Grundstein für ein spielerisches, lustvolles und experimentelles Lernen legen, das auf Neugier, Selbstbestimmung und sozialer Verbundenheit basiert.

Lernlust und Schulbereitschaft sind eng miteinander verbunden und spielen eine zentrale Rolle beim Übergang von der Kindertagesstätte in die Grundschule. 

Lernlust bezeichnet die natürliche Neugier und Freude am Entdecken und Lernen, die Kinder von Geburt an zeigen. Diese intrinsische Motivation ist ein Schlüsselindikator für Schulbereitschaft, da sie die Grundlage für das aktive Engagement in Lernprozessen bildet. Kinder, die eine hohe Lernlust aufweisen, nähern sich neuen Herausforderungen mit Eifer und Interesse, was für den Schulerfolg entscheidend ist. Die Schulbereitschaft umfasst dabei nicht nur akademische Fähigkeiten, sondern auch soziale und emotionale Kompetenzen, die für eine erfolgreiche Teilnahme am Schulalltag erforderlich sind.

Die Förderung von Lernlust und Selbstwirksamkeit in der frühen Kindheit und vor allem im letzten Jahr vor der Einschulung, dem sogenannten Vorschuljahr, legt somit den Grundstein für eine erfolgreiche Bildungslaufbahn und fördert die Vorfreude auf die Schule. Pädagogische Fachkräfte spielen für die „Grundsteinlegung“ eine entscheidende Rolle, indem sie eine Umgebung schaffen, die die natürliche Neugier der Kinder nährt und sie in ihrem Glauben an die eigenen Fähigkeiten bestärkt. Dies kann durch vielfältige Lernangebote, die die Interessen der Kinder berücksichtigen, individuelles Feedback, das die Fortschritte der Kinder anerkennt, und durch die Schaffung von Erfolgserlebnissen, die das Selbstvertrauen stärken, erreicht werden. Selbstverständlich sind auch die Eltern gleichermaßen für die „Grundsteinlegung“ mitverantwortlich, da sie die wichtigsten Bezugspersonen der Kinder sind.

Verwendete Literatur::

Griebel, W./Niesel, R. (2002). Transitionen: Übergänge vom Kindergarten in die Grundschule. Verlag W. Kohlhammer.
Günster-Schöning U. (2018), Ich bin Erzieher*in. Superkräfte versus berufliche Realität, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
Günster-Schöning U. (2023), Von der Kita in die Grundschule: Den Übergang erfolgreich gestalten – Kartenset, Don Bosco Verlag
Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin (2004). Berliner Bildungsprogramm für Kitas und Kindertagespflege. Verlag das Netz.

Ursula Günster Schöning ist Prozessbegleiterin und systemische Organisationsentwicklerin, Senior-Coachin QRC und pädagogische Koordinatorin. Als Sozialfachwirtin, Erzieherin und Führungskraft war sie in der Elementarpädagogik tätig. 2006 gründete sie das Fortbildungsinstitut ERFOR und begleitet seitdem Teams bei Veränderungsprozessen. Zudem arbeitet sie als Weiterbildnerin, Speakerin, Moderatorin und Autorin.

Webseite: www.ursula-schoening.de | Mail: info@ursula-schoening.de

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