„Ich kann nicht mehr!“Frühkindlicher und schulischer Stress. Wie Kinder Frustrationstoleranz lernen können

Dass sowohl Stress als auch Leistungsdruck Probleme unseres Zeitalters sind, mit denen schon die Allerkleinsten in der Kita in Berührung kommen, ist längst kein Geheimnis mehr.

Häufig hört man, dass Kinder heute „anstrengender“ oder „schwieriger“ geworden seien. Tatsächlich aber sind es vielmehr die äußeren Bedingungen und gesellschaftlichen Veränderungen, die belastender geworden sind. Heute geht es häufig um Wert, Gegenwert und Leistung. Zu hohe Ansprüche an die Kinder und gesteigerte Erwartungshaltungen führen dazu, dass Kinder sich unwohl, überfordert und häufig auch frustriert fühlen.

Ein zentraler Punkt dabei ist die Frustrationstoleranz, also die Fähigkeit, mit Rückschlägen, Enttäuschungen und Herausforderungen umzugehen, ohne sich davon entmutigen zu lassen. Diese Fähigkeit ist bei Kindern oft noch nicht ausreichend entwickelt, wird aber durch äußeren Druck zusätzlich auf die Probe gestellt. Kinder, die wiederholt erleben, dass sie den Erwartungen nicht genügen, reagieren oft mit Rückzug, Gereiztheit oder einem Gefühl der Ohnmacht. Das zeigt sich besonders nach der Einschulung und wird in der zweiten oder dritten Klasse häufig spürbar, wenn die schulischen Anforderungen steigen.

Um Stress und Frustration vorzubeugen, sollten Eltern und Erzieher*innen Kindern helfen, ihre Stärken zu erkennen und zu nutzen. Ein Kind, das seine eigenen Fähigkeiten kennt, lernt, mit Problemen besser umzugehen und sich von Herausforderungen nicht verunsichern zu lassen. Dabei spielt es eine wichtige Rolle, Kindern bewusst Raum zu geben, um selbst Lösungen zu finden, und sie zu ermutigen, auch bei Misserfolgen weiterzumachen.

Frustrationstoleranz kann gezielt gefördert werden, indem Kinder ermutigt werden, schrittweise ihre Probleme zu lösen, realistische Ziele zu setzen und Rückschläge als Teil des Lernprozesses zu akzeptieren. Eltern können unterstützen, indem sie geduldig bleiben, liebevoll Grenzen setzen und ihrem Kind zeigen, dass es okay ist, Fehler zu machen. Kinder sollten erleben, dass sie nicht perfekt sein müssen, sondern dass es auf Anstrengung und Durchhaltevermögen ankommt.

Zusätzlich sollten Eltern darauf achten, wie sie selbst mit Stress und Frustration umgehen. Kinder sind wie Seismografen – sie spüren jede „Erschütterung“ in ihrem Umfeld. Wenn Eltern gestresst sind oder negative Emotionen zeigen, beziehen Kinder diese oft auf sich selbst. Sie fühlen sich verantwortlich und entwickeln dadurch eigene Unsicherheiten. Stress verändert Menschen – er macht uns dünnhäutiger, gereizter, anfälliger. Als Erwachsene haben wir Strategien entwickelt, um mit Stress umzugehen, sei es durch Abgrenzung, Ablenkung oder Verdrängung. Kindern fehlt dieses Repertoire jedoch noch. Sie fühlen sich häufig ausgeliefert und ohnmächtig, weil sie nicht wissen, wie sie sich gegen Überforderung und Frustration wehren können.

Die Herausforderung besteht darin, Kindern zu helfen, einen gesunden Umgang mit Stress und Frustration zu lernen. Dabei sollten Eltern und Erzieher*innen mit gutem Beispiel vorangehen, auf ein unterstützendes und stressfreies Umfeld achten und Kindern zeigen, dass sie nicht allein mit ihren Herausforderungen sind. Frustration gehört zum Leben, aber mit den richtigen Werkzeugen können Kinder lernen, daran zu wachsen, statt daran zu verzweifeln.

Hier sind einige Ansätze, die Kindern helfen können, die eigenen Fähigkeiten besser einzusetzen und dabei Frustration und negative Gedanken zu reduzieren:

  1. Positive Verstärkung und Erfolge sichtbar machen: Häufig neigen Kinder, die sich leicht frustrieren, dazu, ihre eigenen Erfolge zu übersehen. Helfen Sie Kindern dabei, auch kleine Fortschritte zu bemerken und wertzuschätzen. Für jedes korrekt gelöste Problem, jedes abgeschlossene Arbeitsblatt oder jedes kleine Ziel können positive Rückmeldungen oder Ermutigungen gegeben werden. Auch eine „Erfolgskarte“ könnten ihnen verdeutlichen, dass sie Fortschritte gemacht haben.

  2. Frustrationstoleranz gezielt üben: In der Kita könnten Erzieher*innen und zuhause könnten Eltern kleine Übungen einbauen, die den Kindern helfen, Frustration zu bewältigen, ohne aufzugeben. Ein Beispiel ist das Erledigen von Aufgaben in kurzen, klar begrenzten Zeitfenstern. Wichtig ist jedoch, kleine Pausen zwischen den Aufgaben einzubauen und zu reflektieren, wie sich das Kind gefühlt hat und was ihm geholfen hat, durchzuhalten. So können Kinder lernen, Frustration schrittweise auszuhalten und positiv zu überwinden.

  3. Konzentrationsübungen und Pausen einbauen: Kinder im Vorschul- und auch Grundschulalter profitieren oft von kurzen, intensiven Arbeitsphasen gefolgt von kleinen Pausen. Die sogenannte „Pomodoro-Technik“ – 15-20 Minuten „arbeiten“, 5 Minuten Pause – 15-20 Minuten „arbeiten“, 5 Minuten Pause – solch eine Methode kann helfen, fokussierter und effektiver zu arbeiten, ohne sich überfordert zu fühlen.

  4. Gefühle reflektieren und Umgang mit Fehlern üben: Kinder, die unter Leistungsdruck stehen, haben oft eine sehr kritische Sicht auf sich selbst. Erzieher*innen und Eltern können helfen, indem sie über Frustrationen mit dem Kind sprechen, damit sie verstehen, dass Fehler und Herausforderungen ganz normal sind und Frustrationen zum Leben dazu gehören. Es könnte auch hilfreich sein, gemeinsam mit dem Kind ein en passen Ermutigungsspruch oder kleine Mantra zu finden, wie z.B. „Ich versuche es noch einmal“ oder „Ich kann immer dazulernen“ oder „Konzentriert geht’s wie geschmiert“, welches es sich dann zu sich selbst in stressigen Situationen sagen kann.

Verhaltensänderungen brauchen immer Zeit und Geduld, aber mit stetiger Unterstützung und positiven Rückmeldungen können Kinder Schritt für Schritt lernen, besser mit den alltäglichen und später auch schulischen Anforderungen umzugehen.

Ursula Günster Schöning ist Prozessbegleiterin und systemische Organisationsentwicklerin, Senior-Coachin QRC und pädagogische Koordinatorin. Als Sozialfachwirtin, Erzieherin und Führungskraft war sie in der Elementarpädagogik tätig. 2006 gründete sie das Fortbildungsinstitut ERFOR und begleitet seitdem Teams bei Veränderungsprozessen. Zudem arbeitet sie als Weiterbildnerin, Speakerin, Moderatorin und Autorin.

Webseite: www.ursula-schoening.de | Mail: info@ursula-schoening.de

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